Eröffnungsrede von Rolf Fischer / Kieler Ateliertage 2020

Böse blickend auf das unzuverlässige Wetter...
Böse blickend auf das unzuverlässige Wetter...

Kurze Ansprache anlässlich der Kieler Atelier-Tage am 27.09.20 im Atelier Torday
zum Werk „Deutschland 1989“
von
Rolf Fischer, Vorsitzender der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte

Verehrte Gäste,
lieber Alexander Torday!

Bevor Frau Dr. Manitz zu den kunstwissenschaftlichen Aspekten der heutigen Ausstellung kommt, folge ich der Bitte von Alexander Torday ein paar Anmerkungen zu den politisch-historischen Bezügen dieser monumentalen Arbeit zu machen. Und es geht nicht ohne diese Bezüge – allein, wenn Sie sich auf diesem Hof umschauen, sind Sie heute mit vielerlei Themen und Personen aus der großen und kleinen Politik und Geschichte konfrontiert; aus Berlin ebenso wie aus der Kommunalpolitik in Kiel.

DEUTSCHLAND 1989
DEUTSCHLAND 1989

Das Werk „Deutschland 1989“ ist ein Bilderbogen unserer Demokratie und eine Bestandsaufnahme der Geschichte der Bundesrepublik ebenso wie der DDR. Es zeigt, wie wechselvoll und vielfältig diese Geschichte ist. Auf einzelne Motive wird Frau Dr. Manitz eingehen; mir geht es um etwas anderes: Dargestellt sind jeweils singuläre und vielfach bekannte Ereignisse, Motive und Personen. Doch zeigt dieses Werk mehr als nur die Summe dieser Ereignisse. Es öffnet in seiner Gesamtheit den Blick auf die Politische Kultur unseres Landes, auf das, was sozusagen „dahinter“ liegt.

Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit deshalb auf ein Detail richten, das alle Bildtafeln verbindet. Es sind die Farben Schwarz-Rot-Gold, unsere Nationalfarben, die über den Motiven – wie ein Band – zu sehen sind. Sie repräsentieren die Werte unserer Demokratiegeschichte, von 1848 über den Beginn unserer Demokratie 1918, die Erarbeitung des Grundgesetz 1948/49 bis heute: nämlich Freiheit, politische Teilhabe und Menschenrechte/Menschenwürde. In vielen Medienberichten sind diese Farben, diese Fahnen auf Demos zu sehen, die von den Feinden der Demokratie geschwenkt werden. Da will jemand etwas bewusst enteignen! Schwarz-Rot-Gold sind seit Beginn an die Farben der deutschen Demokraten, nicht ihrer Gegner. In diesem Werk werden sie der Demokratiegeschichte zugeordnet, schweben fast über den Ereignissen. Sie gehören eben zu unserer politisch-demokratischen Kultur und verbinden „Deutschland 1989“! Darauf macht uns Alexander Torday aufmerksam. Dies sollten wir wirklich wahrnehmen! Wir sind das Volk

Bei der Erarbeitung dieses kurzen Grußwortes ist mir eine Zeile des großen Kieler Realisten Harald Duwe eingefallen: „Die Themen werden mir vom Zeitgeschehen aufgedrängt!“ So geht es auch Alexander Torday, der sich diesen Themen stellt und uns zeigt, wie vielgestaltig unsere politische Kultur und Geschichte ist. Wir sehen kein bruchloses Relief, sondern das Bild eines „schwierigen Vaterlandes“, wie es der Politikwissenschaftler Martin Greiffenhagen einst formulierte. Es ist die Aufgabe der Kunst, kritisch zu hinterfragen und der Gesellschaft einen Spiegel vorzuhalten.

Die Kenntnis der Geschichte der Bundesrepublik und der DDR, ihrer Brüche und Erfolge, ihrer Herausforderungen und ihrer politischen Kultur zählen doch zur Staatsbürgerkultur! Schon deshalb gehört dieses Bild in die Schulen, um zur Diskussion anzuregen und Wissen über unser Land zu vermitteln. Es wäre schön, wenn dies gelingen könnte.

Ich danke Ihnen für Ihre Geduld und Aufmerksamkeit!